Anmerkungen zur Industriekultur an der Saar

Industriekultur an der Saar- Anmerkungen zum industriekulturellen Erbe unseres Landes und zu Sinn und Zweck der Pflege unseres industriekulturellen Erbes

Mit dem Begriff „Industriekultur“ verbinden die meisten Menschen in unserem Lande vor allem den Bergbau und das Hüttenwesen und denken dabei insbesondere an die technischen Großanlagen dieser beiden Industriezweige. Tatsächlich beschreibt der Begriff aber weit mehr.

Er steht für die bisher einschneidendste Veränderung der Lebens- und Arbeitswelt der Menschen seit vielen Jahrhunderten. Diese Veränderung hat ihren Ursprung in der Fähigkeit menschliche Arbeitskraft durch maschinelle Arbeitsleistung nicht nur zu ersetzen, sondern die Produktivität in bisher ungeahnte Dimensionen zu steigern. Forciert und begleitet wird diese Entwicklung durch eine Vielzahl technischer Innovationen, die ihrerseits den Weg zu völlig veränderten Methoden in der Rohstoffgewinnung, der Rohstoffverarbeitung, der Güter- und Warenproduktion und des Warentransports geebnet haben. In dieser veränderten Welt musste der Mensch seinen Platz neu finden. Der Begriff Industriekultur steht für den gesamten Bereich der Kulturgeschichte des industriellen Zeitalters und läßt dabei keinen menschlichen Lebensbereich aus. Er umfasst umfasst insbesondere die Themenbereiche Technik, Architektur, Wirtschafts-, Arbeits-, Sozial- und Alltagsgeschichte der Menschen sowie die industrielle Kulturlandschaft einschließlich der Land-schaftsveränderungen durch die Industrialisierung. Diese Themenbereiche sind breit gefächert, so daß etwa im Bereich der Technik nicht nur die eingesetzten Maschinen und technischen Einrichtungen der Industrieanlagen Beachtung finden, sondern auch der Bereich Transport und Verkehr Berücksichtigung findet. Hierbei ist neben dem Ausbau der großen Flüsse und Ströme zu Wasserstraßen insbesondere auch an die Entwicklung und den Ausbau des Eisenbahnnetzes zu denken, der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rasant voranschritt und dadurch maßgeblich die sprunghaft sich entwickelnde Industrialisierung begleitet hat. Erst der Eisenbahnverkehr hat die Bewegung von gewaltigen Mengen der zur Energiegewinnung notwendigen Brennstoffe und von allen möglichen Rohstoffen zur Gütererzeugung sowie den raschen Transport fertiger Waren auch in entfernte Regionen und damit zu neuen Märkten und einer wachsenden Zahl an Verbrauchern ermöglicht. Auch der Bereich der Architektur ist vielgliedrig, denn nicht nur die Übertageanlagen der Gruben, die Hüttenwerke, Fabriken und Werksanlagen aller möglichen Branchen sind Teil der industrie-kulturell relevanten Architektur, sondern beispielsweise auch Bahnhöfe, moderne Hafenanlagen oder Verwaltungsgebäude, wie etwa die in den 1880er Jahren errichtete Saarbrücker Bergwerksdirektion. Zudem sind die zahlreichen in Grubennähe entstandenen Bergmannssiedlungen bestehend aus den verschiedenen Wohnhaustypen der Beamten- und Arbeiterhäuser, sowie den Direktorenvillen unmittelbarer Gegenstand industriekultureller Architektur. Gerade im Bereich der Architektur überschneiden sich exemplarisch die verschiedenen industriekulturellen Felder der Technik-, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialgeschichte. Als Stichwort mag hier gelten die wiederkehrenden Ensembles aus Industrieanlagen und dazu gehörender Wohnbebauung für die dort Beschäftigten vom Direktor bis hin zu den Arbeitern. Musterbeispiele sind die sehenswerten Siedlungen aus dem Bereich des Bergbaues wie Maybach bei Friedrichsthal, die Bergmannssiedlung in Göttelborn in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grube oder die Siedlung von der Heydt mit den zusätzlichen Schlafhäusern. Gerade auch die Letztgenannten, über die später noch gesprochen wird, sind ein geradezu klassisches Beispiel industrie-kultureller Wohnarchitektur insbesondere in unserer Region. Schlafhäuser wie auch Werkssiedlungen sind allerdings nicht nur im Zusammenhang mit dem Bergbau entstanden, sondern existierten beispielsweise auch im Bereich der Glas- und Eisenhütten. Ein Beispiel für eine Wohnsiedlung mit dazugehörendem Schlafhaus für Pendler im Bereich des Eisenhütten-wesens ist im Saarbrücker Ortsteil Brebach an der Verbindungsstraße nach Schafbrücke zu besichtigen. Das Ensemble gehörte zur von Stumm-Halberg betriebenen Halbergerhütte, die bereits 1756 von Fürst Wilhelm Heinrich von Saarbrücken gegründet worden war.

Wohnsiedlungen für Arbeiter gab es auch in der Nähe Glashütten, wie etwa auf der Alten Schmelz in St.Ingbert, wenngleich in kleinerem Maßstab als die bekannten Beispiele aus dem Bereich des Bergbaus. Ein Unikat im Bereich der industriekulturell bedeutenden Gebäude, optisch unspektakulär und unscheinbar in einer Seitenstraße in Bildstock bei Friedrichsthal gelegen, ist der Rechtsschutzsaal, der aber in seiner sozialgeschichtlichen Bedeutung für die saarländischen Bergleute kaum überschätzt werden kann. Aufs engste verbunden ist er mit dem Namen des Hasborner Bergmannes Nikolaus Warken, genannt Eckstein, und der von ihm maßgeblich initiierten Organisation der Bergleute im Saarrevier in den späten 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein anderes Beispiel für ein in seiner Bedeutung heraus-ragendes Gebäude ist die in Jugendstilarchitektur gehaltene Gasmaschinenzentrale in Heinitz bei Neunkirchen. Beispiele zur industriekulturellen Architektur sind im Bereich des Verkehrswesens etwa die Bahnhöfe und Werksanlagen der Eisenbahn und die Wohnbebauung für Beamte und Arbeiter der Eisenbahn. Besondere Beachtung gebührt dem Bahnhof von Bexbach, der aus dem Jahre 1849 stammend, der Älteste des heutigen Saarlandes ist und bei seiner Errichtung ein Ausgangspunkt der sogenannten Ludwigsbahn war. Die Bahnlinie verband diese Region mit ihrer Stein-kohleförderung mit Ludwigshafen am Rhein, dem damals wichtigsten Binnenhafen des Königreiches Bayern zu dem auch die Pfalz und ein kleinerer Teil des heutigen Saarlandes gehörte.

Ein anderes, besonders pittoresk wirkendes Bahnhofs-gebäude und daher erwähnenswert ist das von Beckingen aus dem Jahr 1868, das mit seinem verspielten Türmchen burgenhaft mittelalterlich anmutet, aber dem ästhetischen Geschmack und Zeit-geist jener Epoche des Historismus durchaus entsprach und gerade deshalb auch in seinem Erscheinungsbild nicht auf einen nüchternen Zweckbau reduziert ist. Im Bereich des Verkehrswesens ist hinsichtlich des Wohnungsbaus stellvertretend die in mittleren 1890er Jahren gegründete Eisenbahner Wohnungsbau Genossenschaft auf dem Saarbrücker Rodenhof zu nennen, die mit dem Ziel gegründet wurde für die auf dem Saarbrücker Bahnhof beschäftigten Beamten und Arbeiter und ihre Familien moderne und zweckmäßige Wohnungen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu errichten. Sie begann ihre Bautätigkeit um die Jahrhundertwende und ist bis heute ein lebendiger Organismus mit hunderten von Wohnungen, obgleich sich die Bewohnerschaft schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausschließlich oder auch nur überwiegend aus Bahnmitarbeitern rekrutiert.

Gerade dieser Teilbereich der Architektur, der Wohnungsbau, ist in vieler Hinsicht ein bedeutender Aspekt im Themenfeld der Industriekultur, denn der stetig wachsende Hunger nach Energie und der damit verbundene Bedarf an immer mehr Kohle und die Industrialisierung der Güterproduktion führte zu einem immer höheren Bedarf an Arbeitskräften in den Bergwerken, Hütten und Fabriken, die wiederum dauerhafte Wohnmöglichkeiten benötigen. Entsprechend waren Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen wie etwa die Schlafhäuser für die Pendler zwischen Arbeitsplatz und Wohnort bzw. dauerhafter Wohnraum für Familien, um ganz im Sinne und Interesse der Unternehmen die Menschen in möglichst großer räumlicher Nähe zu den neuen Arbeitsplätzen anzusiedeln. Ein weiteres ist, dass mit dem Aufbau immer komplexerer wirtschaftlicher Strukturen und dem damit verbundenen Anwachsen der Beschäftigtenzahlen auch der Bedarf an bürokratischer und organisatorischer Verwaltung und Unterbringung derselben wuchs.

Im Bereich des preußischen Bergbaus an der Saar beispielsweise war die als Repräsentationsbau konzipierte und 1880 fertiggestellte Saarbrücker Bergwerksdirektion die Antwort darauf.

Mit der wirtschaftlichen Expansion entsteht aber nicht nur ein steigender Bedarf an Wohnraum, sondern auch ein erhöhtes Maß an Gesundheitssorge. Zunächst für die arbeitenden Menschen, in zweiter Linie auch für deren Angehörige. Entsprechend sind die vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Knappschafts- oder Hüttenkrankenhäuser wie etwa das 1850 in Neunkirchen gebaute erste Bergmannslazarett und seine Nachfolger Bestandteil dieser Entwicklung. Auch die Entstehung der städtischen Hallenbäder war ein Aspekt dieser Gesundheitssorge. Selbst im Bereich der Lebensmittelproduktion hat die Industrialisierung ihre Spuren hinterlassen. So wäre die Entstehung großer Brauereien wie etwa der heute noch produzierenden Firmen Bruch und Karlsberg aber auch der vielen anderen, heute nicht mehr bestehenden Brauereien wie beispielsweise Becker in St. Ingbert, Neufang in Saarbrücken oder Schloss-Bräu in Neunkirchen ohne die Industrialisierung und dem Wachsen der Städte durch den Zuzug der in der Industrie Arbeit suchenden Menschen vom Lande nicht denkbar gewesen. Gleiches gilt für die Nahrungsmittelindustrie mit dem Beispiel der Schlachthöfe wie etwa in Sulzbach. Durch die fabrikmäßige Massenschlachtung wurde erst die Versorgung einer stetig wachsenden Bevölkerung sichergestellt, was nur durch die kleinen handwerklich organisierten Schlachter- und Metzgereigeschäfte nicht möglich gewesen wäre.

Über diese zentralen Elemente hinaus beeinflusst die Industrialisierung der Arbeit nicht nur die allgemeine Arbeits- und Lebenssituation der Menschen, sondern strahlt aus bis in die Bereiche von Kunst, Musik oder Literatur, die ihrerseits diese Arbeits- und Lebenswelten künstlerisch spiegeln und thematisieren.

Für die Zeit des 20. Jahrhunderts sind bezogen aufs Saarland in der bildenden Kunst stellvertretend für viele weitere Kunstschaffende die Arbeiten von Malern wie Fritz Zolnhofer, Walter Bernstein und Benno Breyer, dem Bildhauer Fritz Kölle oder im Bereich der Fotografie von Max Wentz und Fritz Mittelstaedt zu nennen. Im Bereich der regionalen Literatur kann man stellver-tretend für das Schaffen vieler Autoren durch die Jahr-zehnte Namen etwa Alfred Petto, August Becker, Maria Croon, Adolf Groß oder Gerhart Bungert nennen, die in belletristischen Werken die Situation der einheimischen Bevölkerung thematisieren.

Die Reihe der Sachbuchautoren, die sich in Wort und Bild der saarländischen Industriegeschichte in ihren vielen Facetten gewidmet haben, ist lang. Die Anzahl der veröffentlichten Bücher, Broschüren und Aufsätze in den verschiedensten Publikationen in den letzten einhundert Jahren ist fast unüberschaubar und ein Ende der Publikationen ist insbesondere durch Retrospektiven auf Vergangenes und Verschwundenes im Bergbau und anderen Industriebereichen im Saarland nicht abzu-sehen. Stellvertetend für viele Autoren möchte ich für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts an Fritz Kloevekorn erinnern. Für die Zeit danach sollte neben anderen an Richard van Dülmen gedacht werden, sowie an Reinhard Klimmt als Herausgeber einiger wichtiger Werke zu unserer Region. Im musikalischen Bereich sind insbesondere die ehemals zahlreichen saarländischen Bergmannskapellen und Bergmannschöre zu nennen, die mit ihren Beiträgen im Bereich der musikalischen Breitenkultur das saar-ländische Musikleben über mehr als 100 Jahre maß-geblich mitgestaltet haben. Ihre Gründungen reichen teils bis in die 1830er und 1840er Jahre zurück, wie etwa bei der St.Ingberter Bergmannskapelle. Sie sind sozialgeschichtlich gesehen Beispiele für ein reges Vereinsleben der Berg- und Hüttenleute, das sich über das Arbeitsleben hinaus auch in der spärlichen Freizeit vor allem in den Kreisen ihres Berufsstandes abgespielt hat. Wie aber verlief der Weg der Industrialisierung in unserer Region. Lassen Sie uns damit beginnen, dass die Industriali-sierung unsere Heimat nicht über Nacht erreicht hat, indem ein rein bäuerlich agrarisch geprägtes Land plötzlich und innerhalb weniger Jahrzehnte einer der bedeutendsten Standorte der deutschen Schwerindustrie wurde. Bereits in der sogenannten vorindustriellen Ära, also der Zeit vor ca. 1840 hat es zahlreiche Betriebsgründungen gegeben, die das Fundament für die spätere Industrialisierung unseres Landes legten. Es war ein Prozess der schon sehr früh begann und weit mehr umfasste als lediglich Kohleförderung und Eisen-gewinnung. Auch Erze und Mineralien wurden im Saarland abgebaut. Kupfer wurde beispielsweise in Düppenweiler bei Beckingen seit etwa dem 17. Jahr-hundert gefördert. Im dortigen Besucherbergwerk kann man sich davon heute noch ein Bild machen. In der Zeit seit etwa 1500 wurde bei St.Wendel Rötel im Tagebau gefördert. Ein Mineral das seit der Renaissance bei Malern sehr beliebt war und seinen Weg aus dem St.Wendeler Land in alle Richtungen fand.

Weitaus älter ist der Abbau von Azurit, dem sogenannten Blaustein. Seit dem 3. Jahrhundert n.Chr. ist ein Abbau im heute noch erhaltenen und besuchbaren Emilianus-Stollen in St. Barbara bei Wallerfangen nachgewiesen. Azurit war später auch unter dem Namen Wallerfanger Blau bekannt. Der Emilianus-Stollen ist überdies das älteste bekannte römische Bergwerk nördlich der Alpen. Desweiteren sind beispielsweise die Glashütten zu nennen, die seit dem frühen 17. Jahrhundert entstanden und ihre ganz große Zeit zwischen etwa 1880 bis etwa 1930 hatten. Ein ehemaliger Standort ist Ludweiler im Warndt, wo auch die erste Glashütte in unserer Region ca. 1616 durch zugewanderte Hugenotten gegründet wurde, die aus Glaubensgründen in Frankreich verfolgt hier Asyl suchten und fanden. Sie brachten das Wissen und die Technik zur Glas-macherei mit und fanden in unserer Region ideale Voraussetzungen, weil in unserer sehr waldreichen Region, nicht nur ausreichend Holz zur Energie-gewinnung und Herstellung von Pottasche vorhanden war, sondern auch die zur Glasherstellung notwendigen Rohstoffe wie etwa Quarzsand zu finden waren. Weitere Glashütten-Standorte – neben anderen- sind oder besser gesagt waren Völklingen-Fenne, St.Ingbert, Sulzbach, Quierschied, Friedrichsthal und Wadgassen. Bei Rohrbach weist der Namen „Glashütter Weiher“ bis heute auf eine ehemalige Produktionsstätte hin. Schwerpunkte saarländischer Glasproduktion waren Fenster- und Flaschenglas. Im Bereich der Kristall-produktion war die Glashütte in Wadgassen zu nennen, die 1843 durch Villeroy& Boch, gegründet wurde und erst in den mittleren 1980er Jahren die Produktion einstellte. Die Keramikproduktion in unserer Region wurde zunächst von Villeroy und Boch als Konkurrenten ausgeübt. Der Zusammenschluß der beiden Unter-nehmen erfolgte erst 1836. Ihren gemeinsamen bis heute zentralen Standort Mettlach in der alten Abtei ist ein weiterer Zweig früher industrieller Aktivität. Dieser ging allerdings zunächst von dem Unternehmer Boch alleine aus. Nach dem Erwerb der Mettlacher Benediktinerabtei im Jahre 1801 errichtete er dort eine mechanisierte Geschirrfabrikation, was ein erster Schritt zur Massenproduktion von Keramik war. Nur kurz, von 1763 bis 1800, existierte eine von den Saarbrücker Fürsten initiierte Porzellanmanufaktur in Ottweiler aus deren Produktion heute leider nur mehr wenige aber überaus wertvolle Teile erhalten sind.

Ein weiterer industriekulturell bedeutsamer Bereich ist der der Lebensmittelproduktion, obgleich die dort zuge-hörigen Betriebe nicht sehr groß sind und auch die Arbeitnehmerzahlen gegenüber anderen Industrie-zweigen gering ausfallen. Sie haben aber eine sehr alte Tradition, die weit in vorindustrielle Zeiten zurück-reichen. Dabei sind es neben den Brauereien, die Mühlenbetriebe, insbesondere die Ölmühlen, die bis in die späten 1950er Jahre produzierten und zum Teil in jüngster Zeit wieder in bescheidenem Rahmen den Betrieb aufgenommen haben. Beispiele für erhaltene und Mühlen wären – neben anderen- etwa die Bettinger Mühle bei Schmelz, die Johann-Adams-Mühle bei Tholey oder Wern´s Mühle in Fürth bei Ottweiler, in der auch wieder Öle produziert werden.

Die älteste bis heute noch produzierende Brauerei ist die bereits erwähnte Saarbrücker Brauerei Bruch, in der seit 1703 Bier gebraut wird. Eine andere alte Brauerei, die auch heute noch am Markt vertreten ist, ist die seit 1878 existierende Karlsberg Brauerei in der Stadt Homburg. Was nun die Eisenindustrie betrifft, ist an zahlreiche Kleinbetriebe zu erinnern, die als Eisenhämmer vor Jahrhunderten bereits arbeiteten. Der heute wohl noch bekannteste ist Mariahütte bei Nonnweiler, dessen Reste leider nicht öffentlich zugänglich sind.

Anderenorts sind Namen wie etwa Blechhammer als historische Orts- oder auch Straßennamen Hinweis auf einstige Produktionsstätten. Auch die alte Schmelz in St.Ingbert -eng verbunden mit dem Namen der Unternehmerfamilie Krämer- ist ein bedeutender früher Standort der Eisenerzeugung. Auf dem Gelände der alten Schmelz findet sich auch das älteste erhaltene Gebäude des Saarlandes aus dem Bereich der Eisenindustrie. Es ist die sogenannte alte Möllerhalle aus dem Jahre 1750.

Im Jahre 1756 hat der wirtschaftlich sehr umtriebige Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau Saarbrücken die Halbergerhütte im heutigen Ortsteil Saarbrücken –Brebach gegründet, die später zum Stummschen Industrieimperium gehörte und heute mit wechselnden Eigentümern nach wie vor Industriestandort ist.

Noch älter ist allerdings die Dillinger Hütte, deren Gründung mit Erlaubnis des französischen Königs Ludwig XIV bereits auf das Jahr 1680 zurückgeht und die auch in unseren Tagen noch tausenden von Beschäftigten Arbeit gibt.

Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau Saarbrücken hat auch im Bereich des Kohlebergbaus in seinem Herr-schaftsgebiet einschneidende Veränderungen durch-geführt. So hat er die damals bereits seit mindestens dreihundert Jahren in Dokumenten nachgewiesene private Kohlengräberei ebenso untersagt wie den kaum weniger alten lizenzierten Abbau von Kohle durch private Unternehmer, indem er die vorhandenen Gruben verstaatlichte und so ein Monopol zugunsten der Grafschaft Saarbrücken schuf.

Dieses wurde nach 1816 als unsere Region mehrheitlich an das Königreich Preußen gefallen ist, dankbar vom preußischen Bergfiskus übernommen. Oberster Bergherr wurde in diesem Zusammenhang der preussische König. Im einst preußischen Teil unseres Bundeslandes befanden sich auch die später bedeutenden Eisenhüttenstandorte Malstatt-Burbach, dazu Völklingen mit der Röchling-Hütte, sowie die Neunkircher Eisenwerke der Familie Stumm, späterer Name nach Erhebung in den Freiherrenstand „von Stumm-Halberg“, die, wie bereits erwähnt, Eigentümer der Halbergerhütte in Brebach waren. An dieser Stelle sei auch auf besonderes Stück industriekultureller Bautätigkeit hingewiesen. Es ist Schloß Halberg in Saarbrücken, einst neu erbauter Wohnsitz des Freiherrn von Stumm-Halberg, später Residenz des französischen Bevollmächtigten für das Saargebiet nach dem zweiten Weltkrieg und heute Sitz des Saarländischen Rundfunks. Noch ein kurzes Wort zum Hüttenstandort Völklingen. Dieser beherbergt zum einen das Weltkulturerbe Völklinger Hütte und zum andern direkt daran angrenzend das mit mehreren tausend Beschäftigten arbeitende Blasstahlwerk, das zu den modernsten Hüttenwerken weltweit zählt. Ein kleinerer Teil des heutigen Saarlandes fiel 1816 als Bestandteil der bayrischen Pfalz an das Königreich Bayern. Neben der von Eisen- und Glaserzeugung sowie Steinkohlebergbau geprägten Stadt Sankt Ingbert waren insbesondere die Kohlengruben bei Bexbach und Frankenholz von größerem wirtschaftlichen Interesse für Bayern. An dieser Stelle soll auf das saarländische Bergbaumuseum in Bexbach im Blumengarten hingewiesen werden, das zahlreiche Exponate zum saarländischen Bergbau bewahrt. Es ist neben anderen kleineren Museen ein wichtiger Ort zur Darstellung der Arbeits- Sozial- und Alltagsgeschichte der saarländischen Bergleute. Zusammen mit seinem Besucherbergwerk ist es ein Muss für Bergbauinteressierte. In diesem Zusammen-hang sei auch hingewiesen auf das Besucherbergwerk Velsen im Warndt, das einstige Lehr- und Ausbildungs-bergwerk der RAG an der Saar und auf den St.Ingberter Rischbachstollen, wo ein Teil eines ehemaligen wirk-lichen Bergwerkes besichtigt werden kann. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle nochmals an das historische Kupfer-bergwerk im Beckinger Ortsteil Düppenweiler erinnert.

Die Gewinnung von Rohstoffen genau wie die Warenproduktion wurde bis ins späte 18. Jahrhundert in allen Bereichen a priori mit menschlicher Arbeitskraft erbracht. Danach setzt in einigen Bereichen ein zwar noch handwerklich organisiertes aber bereits durch Maschinen unterstütztes Produzieren in den frühen Manufakturen ein. Allerdings steht nach wie vor die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt der Warenproduktion. Dies ändert sich im ausgehenden 18. Jahrhundert bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung der Dampfmaschine. Erst sie und die Einsicht in ihre mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten schafft die Grundlage einer völlig neuen und revolutionären Arbeitsweise, nämlich die der industriellen Gütererzeugung.

In Deutschland selbst setzt diese erst in den 1830er bis 1840er Jahren in großem Stil ein. Friedrich Engels hat in diesem Zusammenhang den Begriff der „industriellen Revolution“ geprägt. Das heißt, die handwerklich organisierte Herstellung von Waren und Gütern in relativ kleinen Stückzahlen wird durch den Einsatz von Maschinen zur nunmehr industriellen Produktion mit großen Stückzahlen in kurzer Zeit. Damit einher geht eine fundamentale Veränderung. Der Mensch verliert in vielen Bereichen seine zentrale Stellung als Hersteller der Ware, der von Anfang bis Ende den Produktionsprozess begleitet und gestaltet. An seine Stelle tritt nun die Maschine. Er selbst wird zum Maschinenbediener, mit oft nur monotonen und stereotypen Handgriffen an der Maschine. Waren früher gut ausgebildete Handwerker unverzichtbar für die Güterproduktion, kann nunmehr in vielen Bereichen mit schnell angelernten und leicht austauschbaren Arbeitern eine enorme Güterproduktion betrieben werden.

Mit dieser elementaren Veränderung in der Güter-produktion beginnt eine Spirale zu drehen. Die Mechanisierung der Arbeitswelt verlangt nach immer mehr Energie zum Betrieb der Maschinen, die ihrerseits immer weiter entwickelt werden und immer größere Gütermengen produzieren können. Im Energiebereich steigt der Bedarf an Kohle sprunghaft an. Nicht anders ist es bei Erzen oder anderen Rohstoffen, die weiter verarbeitet werden.

Da weder die Überlandtransporte von Waren mit Pferden noch der Transport auf den teils damals schon ausgebauten Wasserstraßen mit Schleppkähnen die gewünschte Schnelligkeit und das benötigte Volumen an Gütertransporten erfüllen können, wird mit der Einführung der Eisenbahn und dem raschen Ausbau der Bahnstrecken seit den frühen 1850er Jahren ein Transportsystem für Menschen und Waren geschaffen, das an Schnelligkeit und Beförderungskapazitäten alles bisher Gekannte in den Schatten stellt. Mit diesen Entwicklungen im Verkehrsbereich und der Güterproduktion steigt der Bedarf an Arbeitskräften in den Kohle- und Erzgruben, den Hütten und Fabriken sprunghaft an. Im Laufe weniger Jahre werden zahl-reiche neue Kohlefelder erschlossen oder erweitert und industrielle Betriebsstätten neu gegründet. Der aus diesen Entwicklungen resultierende Bedarf an Arbeits-kräften führt zu beträchtlichen Bevölkerungsbeweg-ungen vom Land in die Städte zu den neugeschaffenen Arbeitsplätzen in den aus dem Boden schießenden Werken und Fabriken.

Speziell in unserer Region verlief diese Wander-bewegung allerdings nicht ganz so dramatisch wie in anderen Teilen Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Entlohnung beispielsweise im saarländischen Bergbau, nicht so attraktiv war, dass anders als im Ruhrgebiet, massenhaft Arbeitskräfte dauerhaft auch aus großer Entfernung an die Industriestandorte zuwanderten, um sich dort niederzulassen. In unserer Region war der typische Bergarbeiter aber auch viele Hüttenarbeiter eigentlich ein Landwirt oder besser gesagt ein Kleinbauer, der aufgrund des zu geringen Land- und Viehbesitzes zusätzliches Einkommen zum Erhalt der Familie erwerben musste. Er pendelte also in einem festen Tages- oder Wochenrhythmus zwischen Arbeitsstätte und Wohnsitz und in der Zeit wo er fort war, versorgten Frau und Kinder die bescheidene Landwirtschaft und bemühten sich um einen zusätzlichen Gelderwerb, nicht selten als Dienstboten und Hausangestellte. An diese für unsere Region typische Variante beispielsweise des Bergmannes erinnern neben den sogenannten Schlaf-häusern in Grubennähe auch die Bergmannspfade, über die durch Wald und Feld die Bergleute von ihren Wohnorten zu den Gruben wanderten.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die Smartphone APP des Saarländischen Museumsverbandes hinge-wiesen, die den Namen „Entdeckertouren“ trägt und kostenlos in den Appstores „Apple Store“ und „Google Play Store“ für Privatpersonen kostenlos herunter-geladen werden kann. Auf ihr finden Sie zurzeit mehrere völlig ausgearbeitete Wandertouren zum Thema „Bergbau im Saarland“ mit Bild- und Tondokumenten und Streckenführung per GPS Signal. Weitere Touren –auch zu anderen industriekulturellen Themen- werden diese nach und nach ergänzen.

Zahlreiche Bergleute hatten beträchtliche Strecken zurückzulegen, denn sie stammten aus dem nördlichen Saarland und dem Hunsrückvorland. Die schon mehrfach erwähnten Schlafhäuser dienten dabei als Unterkunft für die Bergleute, die nicht in Grubennähe wohnten und waren auf der Basis der Selbstversorgung mit Mehrbettzimmern, Kochmöglich-keiten, Krankenstube und Aufenthaltsräumen ausgestattet. Da in Preußen vieles nach militärischem Reglement organisiert war, herrschte auch in diesen Unterkünften im vormals preussischen Teil unseres Landes eine strenge Hausordnung, die eher an eine Militärkaserne denn an eine zivile Einrichtung erinnerte. Nicht zuletzt daraus leiten sich auch die an Militäruniformen erinnernden Bergmannsuniformen ab, an denen man den hierarchischen Stand ihresTrägers innerhalb des Bergmannsstandes ablesen konnte. Ein Buchtipp zu diesem Thema ist das Werk von H. Ruth „Bergmanns-uniformen an der Saar“.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle nochmals den Hinweis auf die Schlafhäuser in Zusammenhang mit einer Bergmannssiedlung zwischen Saarbrücken und Riegelsberg in der Gemeinde von der Heydt. Das Ensemble kann allerdings zwar leider nur von aussen besichtigt werden, ist aber überaus besuchenswert. Sprechen wir schließlich das Thema der industriellen Kulturlandschaft an. Damit ist gemeint, dass durch die Industrialisierung die ursprüngliche Kultur- und Naturlandschaft verändert wurde. Hierbei wurden aber nicht nur umfangreiche Rodungen durchgeführt, Strassen und Schienenwege angelegt und Wasserläufe verändert. Gerade zu Letzterem sei hier auf ein sehenswertes Beispiel für die Nutzung der Wasserwege hingewiesen. Gemeint ist die bis heute im Betrieb befindliche Saar-Schleuse aus dem Jahr 1863 im Saarbrücker Stadtteil Güdingen, die neben anderen den Schiffstransport von Erzen aus dem Lothringischen Revier zu den an der Saar gelegenen Hüttenwerken mit ermöglichen sollte.

Kommen wir nun aber zu ins Auge stechenden Land-schaftsveränderungen. Gerade die Schwerindustrie hatte über ihre unmittelbaren Betriebsgelände hinaus einen bedeutenden Platzbedarf für die Lagerung von Abraum bzw. Schlacken. Das Ergebnis davon sind die vielerorts bei uns vorhandenen Halden. Konkrete und vor allem weiträumige Landschaftsveränderungen sind neben den im Laufe der Zeit zu Hügeln angewachsenen Halden die im Bereich des Bergbaus entstandenen Absinkweiher. Während letztere mittlerweile mancherorts einen idyllischen Charakter angenommen haben oder regelrechte Ausflugsziele geworden sind wie etwa der Itzenplitzer Weiher mit seinem romantischen Pumpenhaus, sind die Halden oft echte Landmarken geworden. So ist die Schlackenhalde bei Völklingen als Zwillingshalde nicht nur weithin sichtbar, sie ist auch als Hermann und Dorothea benannt.

Die Halde der Grube Reden hat es in unseren Tagen geschafft ein Ausflugsziel zu werden, wohin ganzjährig Besucher kommen. Ebenso die Halde von Ensdorf, die sich steil im Saartal erhebt und nunmehr weithin sichtbar von einem Kunstwerk, dem Polygon, gekrönt wird. Andere Halden sind nicht zuletzt durch ihren zwischenzeitlichen Bewuchs kaum noch als einstmals künstliche Aufschüttung unbrauchbaren Materials zu erkennen und haben sich als scheinbar natürliches Landschaftselement in unserer Wahrnehmung verankert. Mit den vorangegangenen Ausführungen sollten Sie zunächst ein wenig mit den verschiedenen Teilbereichen des weiten Begriffs der Industriekultur bekannt gemacht werden. Gleichzeitig sollten Sie im Rahmen einer kleinen Zeitreise und anhand von konkreten Beispielen eine Vorstellung davon erhalten, wie reich und alt das industriekulturelle Erbe des Saarlandes ist.

Vieles von dem was angesprochen wurde ist mittler-weile Vergangenheit. Die Glasindustrie existiert seit vielen Jahrzehnten nicht mehr und ihre Spuren soweit es die Betriebsanlagen angeht, sind nahezu völlig ausgelöscht. Der Bergbau an der Saar ist im Rahmen einer politischen Entscheidung vor Jahren eingestellt worden. Es gilt jetzt den Nachlass zu regeln, was bedeutet, daß über die Zukunft großer Flächen und zahlreicher Gebäude und technischer Anlagen entschieden werden muss. Hierbei geht es auch um beträchtliche finanzielle Investitionen, die entweder für den Ab- oder besser gesagt den Rückbau der Anlagen oder aber alternativ genauso für ihren Erhalt und in eine In-Wertsetzung für neue Verwendungszwecke getätigt werden müssen. Von den großen Hütten sind nur mehr zwei an der Saar aktiv, die anderen sind verschwunden oder wie in Neunkirchen nur mehr rudimentär erhalten und einer neuen Bestimmung zugeführt. Der Rest ist verschrottet. Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist das überragende und einzigartige Aushängeschild der saarländischen Industriekultur und ein touristischer Aktivposten und Besuchsmagnet nicht nur für Einheim-ische, sondern insbesondere auch für Besucher aus dem In- und Ausland. Einige Grubenstandorte sind ausgewählt worden Erinnerungsorte und Denkmale des saarländischen Bergbaus zu werden. Schon vor Jahren als solche bestimmt und auserkoren, neuen Nutzungen zugeführt zu werden, waren die Gruben Göttelborn und Reden. Beide sollten durch Neunutzungen vorhandener Anlagenteile und Gebäude In-Wert gesetzt und neuen Aufgaben zugeführt werden. Zudem sollten bei Bedarf neue Gebäude errichtet werden, wenn sich eine entsprechende Nachfrage einstellte. In beiden Fällen ist die Überführung in eine neue Verwendung des Geländes und der Baulichkeiten wohl gelungen. In Göttelborn haben sich Teilbereiche von Wissenschaft und Forschung angesiedelt und zudem ist hier eines der größten Solaranlagenfelder Deutschlands entstanden. So wird dort auf wenigen Metern der Brückenschlag exemplarisch vorgeführt vom beginnenden Industrie-zeitalter mit dem primären Energieträger Kohle hin zur Energiegewinnung der Zukunft aus umweltfreundlichen regenerativen Alternativenergien.

In Reden ist durch die Ansiedlung von Behörden, Archiven und Sammlungen und nicht zuletzt des Gondwanaparks, durch die Nutzung bestehender Bausubstanz und der Errichtung zusätzlicher Gebäude eine In-Wertsetzung und sinnvolle Neuverwendung der Anlage ermöglicht worden. Auf der Liste der Bergbau-standorte, die erhalten werden sollen, sind die Grube Luisenthal bei Völklingen und Camphausen bei Quierschied. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Für die Grube Velsen zeichnet sich eine hoffnungsvolle lösung ab. Bei anderen Standorten ist die Zukunft ungewiss. Hier wie dort bedarf es teils komplizierter Verhandlungen zwischen dem Eigentümer, der R.A.G., und der Landesregierung und weiteren Akteuren, die an den Geländen bzw. deren Nutzung interessiert sind bzw. deren Interesse an den Liegenschaften man wecken möchte. Auch hier geht es um sehr viel Geld, um Haftungs-risiken und zahlreiche rechtliche Probleme, die mit der Nutzung oder Übernahme des Geländes zusammen-hängen. Gerade was den Bergbauund das Hüttenwesen mit ihren Hinterlassenschaften an technischen Anlagen, Gebäuden und Bodenbelastungen angeht, sind die Kosten für jegliche Art einer neuen Geländenutzung beträchtlich. Genau an diesem Punkt und in dem Wissen, dass das industriekulturelle Erbe des Saarlandes im Kern Steinkohlebergbau und Eisenhüttenwesen sind, stellt sich die Frage nach Sinn, Zweck und Nutzen der Pflege dieses Erbes. In einer Zeit knapper öffentlicher Mittel, der Schuldenbremse und eines Landeshaushaltes der wenig Spielraum lässt, ist vielen Bürgern nur schwer vermittelbar, dass Objekte wie etwa die genannten Bergbauanlagen, bewahrt werden sollen, nachdem sie teils bereits vor Jahrzehnten mit der Betriebseinstellung ihre einzige echte Aufgabe, ja im Grunde ihre Existenz-notwendigkeit oder noch schärfer formuliert ihre unmittelbare Existenzberechtigung verloren haben. Dass zu ihrem Erhalt öffentliche Mittel nötig sind ist unstreitig, aber weitaus mehr Kapital soll und muss aus der Hand von privaten Investoren kommen, die dann im Einklang mit denkmalschützerischen Vorgaben eine Wieder-In-Wertsetzung der Gelände durch kreative Nutzungen oder Neuansiedlungen von Gewerben erreichen können. Hier nun lassen sich aber sehr gut Vergleiche mit andern Kulturgütern ziehen, die aus früheren Zeiten heute noch vorhanden sind und sich unseres Schutzes und unserer Wertschätzung erfreuen. Denken wir doch einmal an die zahlreichen noch vorhandenen Burgen und Schlösser oder anderen historischen Bauten, die im öffentlichen Eigentum stehen und deren Erhalt vor allem durch Steuermittel finanziert wird. Niemand käme heute ernsthaft auf die Idee etwa die Burg Montclair oberhalb der Saarschleife abzureißen, weil sie die Aufgabe nicht mehr erfüllt, die ihr bei ihrer Erbauung zugedacht war oder die Reste der Burg Dagstuhl zu planieren, gerade weil eben nur noch Teile der einstigen Anlage existieren. Die Liste ließe sich ohne Probleme mit weiteren historischen Bauten fortsetzen. Nein, wir sind uns in ganz überwiegender Mehrheit einig, dass es Sinn macht, diese Objekte zu erhalten und zu bewahren.

Wir schätzen sie als Ausflugsziele und weil sie uns eine Möglichkeit bieten einen Blick in die Vergangenheit werfen zu können. Mehr aber noch als dieses, allgemein gesagt, historische Interesse, erinnern sie uns an die sogenannten guten alten Zeiten. Kaum einer denkt dabei an die dunklen Seiten wie Leibeigenschaft, Willkürherrschaft oder die gewaltigen Standesunterschiede, die in jenen Zeiten herrschten als etwa die Burgen erbaut wurden.

Im Gegensatz zu heute, haben die Menschen, zu deren Lebzeiten diese Bauten ihre Aufgaben verloren, verwaisten oder zerstört wurden, keinen Gedanken daran verschwendet, die Anlagen wieder herzurichten oder doch wenigstens zu pflegen und für die Nachwelt als steinernes Dokument der Zeit und der Verhältnisse zu erhalten. Nein sie haben – oft sogar über Generationen hinweg – die Objekte ausgeweidet und haben die Anlagen als Steinbrüche für Neubauten an anderer Stelle genutzt. Mit anderen Worten gesagt, sie hatten nur einen Blick dafür, dass das was jetzt noch übrig war, nichts mehr zu ihrer Existenz beitrug und es daher auch keinen Sinn machte, die Reste zu erhalten und zu pflegen anstatt sie zu verwerten.

Diese keineswegs nur der Vergangenheit angehörende enge, ganz und gar auf die unmittelbare Gegenwart gerichtete Nützlichkeitserwägung ist es, der die Existenz und den Erhalt baulicher Zeugnisse der Industriekultur in unserem Land bedroht.

Wir haben heute aber die Möglichkeit aus den Zerstörungen in früheren Zeiten zu lernen. Wenn wir uns heute, auch unter Aufbringung knapper öffentlicher Mittel, entschließen möglichst viel an historischer Substanz zum Thema Industriekultur zu erhalten, erreichen wir ein wichtiges Ziel. Wir geben uns und künftigen Generationen die einmalige Möglichkeit quasi an Originalschauplätzen etwas über die dramatischen Veränderungen zu erfahren, die die Mechanisierung und Industrialisierung der Arbeitswelt nach sich gezogen hat und das Leben zahlloser Menschen seit Generationen bis zu unserer eigenen Gegenwart maßgeblich beeinflußt und quer durch alle Lebensbereiche einschneidend veränderte. Zudem leben wir zurzeit selbst an der Schnittstelle eines ebenso einschneidenden Übergangs, nämlich vom Industriezeitalter ins digitale Informationszeitalter. Heute sind durch die Digitalisierung die Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt ebenso tiefgreifend wie zu Beginn des Industriezeitalters und genau wie damals, werden auch heute alle Lebensbereiche durch techno-logische Innovationen beeinflußt.

Umso wichtiger ist es für uns das vorhandene Erbe zu bewahren, weil es uns auch lehren kann, wie sich Veränderungen auswirken und wie man damit umgehen kann. Mit Bewahrung ist natürlich nicht gemeint, dass alles und jedes bewahrt werden muß. Dies ist weder möglich noch nötig, um unser industriekulturelles Erbe zu pflegen und die Erinnerung daran wachzuhalten. Wenn wir mit dem nötigen Augenmaß große Objekte erhalten wie etwa komplette bergbauliche Anlagen und zudem kleinere Erinnerungsträger wie beispielsweise den einen oder anderen Bergmannspfad und andere Objekte und Anlagen aus dem Bereich der Industrie-kultur darüber nicht vergessen und insbesondere auch nicht die Museen, die zahllose Exponate zur Technik-, Arbeits-, Sozial- und Alltagsgeschichte der Menschen bewahren, wenn wir uns also nicht nur auf eine Handvoll „Highlights“ der Industriekultur beschränken, dann wäre das ein guter Weg im Umgang mit dem Thema Industriekultur im bezug auf unsere ureigene Geschichte. Abgesehen von den genannten Argumenten, sollten wir uns vor Augen halten, dass der selbstverständliche Gebrauch zahlloser Güter des Alltags vom Auto bis zur Waschmaschine industrieller Groß- und Massen-produktion entstammt, was bedeutet, dass ein über-wältigender Teil unserer materiellen Kulturgüter Industrieprodukte sind, also auch wir im täglichen Leben immer noch Kinder der Industrialisierung sind und mithin auch unser Lebensalltag ein Ausfluss von Industriekultur ist. Auch Annehmlichkeiten wie Jahresurlaub für Arbeitnehmer, Kranken- und Rentenversicherung und vieles für uns ganz Alltägliche sind letzlich historische Bausteine der Industriekultur. Auch deshalb sollten wir den Anfängen und frühen Glanzzeiten des Industriezeitalters Ehre erweisen und ihre Relikte bewahren.

Gerade wir als Saarländer haben neben diesen Erwägungen aber auch andere gute und sehr handfeste Gründe dieses Erbe in Ehren zu halten. Wenn wir nochmals den Gedanken aufgreifen, dass Kohle und Eisen die Herzstücke unserer industriellen Vergangen-heit sind, so sollten wir uns auch darüber klar sein, dass es unser Bundesland ohne die Schwerindustrie wohl nicht gäbe. War nach 1816 bis 1919 das Gebiet unseres Bundeslandes in vor allem zwei Teile geschnitten, die politisch und wirtschaftlich zu zwei verschiedenen deutschen Königreichen gehörten, so war es ein Ergebnis des ersten Weltkriegs und des Versailler Vertrages von 1919, daß erstmals, wenn auch aus den politischen und wirtschaftlichen Interessen vor allem Frankreichs resultierend, ein zusammenhängendes Saargebiet entstand, das, wenn auch kleiner als das spätere Saarland, doch schon dessen Keimzelle war. Der zweite Weltkrieg und die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen hat schließlich den Anfang zu unserem heutigen Bundesland gesetzt, denn schon sehr früh, im Jahre 1947, hat Frankreich das Saarland aus seiner Besatzungszone „herausgelöst“ und ein scheinbar selbstständiges aber doch ganz und gar von Frankreich politisch wie wirtschaftlich abhängiges Gebilde geschaffen. Und wie bereits beim Versailler Vertrag und seinen Regelungen, war es der Bergbau und die Hüttenindustrie unserer Region, die Frankreich für das eigene Wiedererstarken nach dem Kriege im Zusam-menspiel mit dem benachbarten französischen Industrierevier Lothringen benötigte. Dass das Saarland eine etwas andere Form und Größe als das Saargebiet des Versailler Vertrages hat, ist unter anderem auch den französischen Überlegungen geschuldet, möglichst auch jene Dörfer und Landschaften etwa des Hunsrück-vorlandes in das neue Staatswesen einzubinden, aus denen traditionell zahlreiche Berg- und Hüttenleute stammten, die, wie bereits erwähnt, in saarländischen Gruben und Hütten arbeiteten und zwischen diesen und ihren Heimatdörfern pendelten. Somit war mit der Industrie an der Saar auch das politische Schicksal der Region aufs engste verbunden und die Pflege der Industriekultur ist keine Nostalgie, sondern elementare Identitätspflege für die Menschen dieses Bundeslandes. Auch die von der Schwerindustrie geprägte Lebens- und Arbeitswelt und die damit verbundenen Erinnerungen und Erfahrungen im persönlichen wie familiären Bereich eines beträchtlichen Teils der saarländischen Bevölkerung sind in ihrer Klammerwirkung eines gewachsenen Gefühls der Zusammengehörigkeit kaum zu überschätzen. Abschließend sei noch ein ganz pragmatischer Gesichts-punkt zur Sinnhaftigkeit der Pflege der Industriekultur an der Saar angeführt.

Wenn man den Blick ins Ruhrgebiet richtet und sieht, wie dort vielerorts mit dem industriekulturellen Erbe umgegangen wird und wie es gelungen ist mit Engagement, Phantasie und Investitionen zahlreiche Objekte zu erhalten und ihnen nicht zuletzt durch – auch touristisch – attraktive Neunutzungen wieder Leben einzuhauchen, sollte uns das hinsichtlich unserer eigenen reichen Bestandes an industriekulturellem Erbe zu denken geben.

Auch bei uns im Saarland besteht bei entsprechender Kreativität die Möglichkeit unser industriekulturelles Potential im touristischen Bereich wertschöpfend zum Wohle des Landes und seiner Menschen einzubringen und so, wenn auch in veränderter Art und Weise, neuen Nutzen aus diesem besonderen Erbe zu ziehen.